Erinnerungen und Zeitgenossen

Richard Strauss ist seiner Zeit als Komponist oft voraus gewesen und doch ein Kind seiner Zeit, der von seinen Zeitgenossen teils stark beeinflusst wurde. Hier stellen wir einige wichtige vor. Doch der berühmte Komponist hatte auch eine private Seite: Menschen, die Richard Strauss gekannt haben, beschreiben ihn als humorvollen Mann, dem der Ruhm nie in den Kopf gestiegen ist. Halt gab ihm die Familie, seine Leidenschaft galt lebenslang der Musik – und dem Kartenspiel.

Richard Strauss – Enkel: „Ein ganz normaler Grossvater“

Im Hause Strauss gab’s einen geregelten Tagesablauf: feste Zeiten für die Mahlzeiten, für Spaziergänge und die Mittagsruhe. An seine Enkel stellte der Komponist kaum erfüllbare Ansprüche an ihre Bildung. Und doch ließ er sich von ihnen bei der Arbeit stören – und zum Rodeln oder Fußballspielen verleiten.
Bei uns ging es ganz normal zu: Großvater saß am Schreibtisch; mein Bruder und ich waren kleine Buben, und wenn uns danach war, sind wir in sein Arbeitszimmer gestürmt, haben ihn am Rockzipfel gezerrt und gerufen: "Großpapa, komm spielen!" Was man von anderen Künstlern vielleicht kennt, diese Atmosphäre: "Ruhe, der Meister komponiert", gab es bei uns nicht.
 
Mit seinen 65 oder 70 Jahren ist er leicht murrend mit uns hinausgegangen, hat Fußball gespielt oder ist gerodelt – davon gibt es ja auch einen netten kleinen Film, wo wir am Schluss von der Rodel fallen. Nach einer Viertelstunde hat er dann versucht, sich "vom Feind zu lösen", ist in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt und hat da weitergemacht, wo er von uns gestört worden ist. Dass er "der große Richard Strauss" war, begriff ich erst in seinen letzten Jahren, da war ich 18 oder 19.
 

Die Großmama als starke Frau hinter Strauss

Diese Beziehung wird heute noch gerne verkannt und spitze Bemerkungen à la "Xanthippe" auf die Großmama gemünzt. Sie war sicher sehr schwierig und exaltiert. Aber aus den etwa 1.500 Briefen, die einander die beiden geschrieben haben, lässt sich erkennen: Ohne sie hätte Strauss nicht einmal ein Drittel von dem leisten können, was er geleistet hat.
 
Ich glaube, es gibt kaum einen Komponisten, der seiner Frau so schöne Denkmäler gesetzt hat, die heute noch immer wieder gespielt werden: "Ein Heldenleben", "Sinfonia Domestica und die Oper "Intermezzo", die eine wahre Geschichte aus seinem Eheleben erzählt.
 

Ruhm schützte vor der US-Besatzung

Er war ein Mann von 81 Jahren, das Garmischer Haus war nicht mehr zu heizen, Großmama kränkelte. Eines Morgens sah ich die Besetzungstruppen im Garten und rief ihn aus seinem Arbeitszimmer: "Die Amerikaner wollen das Haus beschlagnahmen!" Er sagte: "Das werden wir schon sehen", und ging hinaus, bewaffnet mit Ehrenbürgerschaften und Ehrendoktoren von New York, Michigan, Connecticut usw.
 
Er sagte zu den Soldaten: "I am the composer of Rosenkavalier and Salome and I hope you feel well here in Garmisch." Einige der Herren wussten wirklich, wer er war. Innerhalb von dreißig Minuten hing ein vom Kommandeur gestempeltes "off limits"-Schild am Zaun. Gott sei Dank ist dieses Haus dadurch vor Besetzung und Plünderung verschont geblieben.
 

Hohe Ansprüche an die Enkel

Als mein Bruder und ich noch klein waren, hat er uns die großen Opern, "Ring des Nibelungen", "Figaro" usw. als Märchen erzählt und hat versucht, uns die Liebe zu dem Meisterwerken ins Herz zu pflanzen.
 
Seine Forderungen an uns waren aber für uns Lausbuben nicht immer leicht zu verkraften. Er hat von uns verlangt, Goethe, Wieland und Shakespeare zu lesen, er war unglaublich gebildet. Jeden Abend saß er in seinem Arbeitszimmer und hat in einem der 32 Bände der Goethe-Gesamtausgabe gelesen, aber auch Geschichtswerke von Ranke, Napoleons Selbstbiographie, Schriften von Gerhart Hauptmann … . Von uns erwartete er das selbe, was wir natürlich nicht leisten konnten.
Großvater Strauss widmet sich der Erziehung seiner Enkel oft.

Geregelter Tagesablauf im Hause Strauss

Sein Tag ist immer gleich abgelaufen: Gegen neun Uhr hat er in seinem Schlafzimmer gefrühstückt, da hat ihm unsere treue Anni einen Kaffee und eine geschmierte Semmel hinaufgebracht.
 
Als er alt war, habe ich ihn in der Früh immer mit einem neuen elektrischen Rasierapparat rasiert und ihm den Rücken mit Franzbranntwein eingerieben. Dann ist er hinuntergegangen in sein Arbeitszimmer und hat bis 12 Uhr gearbeitet, dann kam die Großmama, mit der er – bei jedem Wetter, auch wenn es gestürmt oder geschneit hat – eine Dreiviertelstunde spazieren ging.
 
 

Zum Mittagessen mit geputzten Fingernägeln

Um 13 Uhr war Mittagessen – eine heilige Handlung, mein Bruder und ich saßen stets um fünf vor eins mit geputzten Fingernägeln am Tisch. Nach dem Essen hat er sich für eine halbe Stunde auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer ausgeruht, und gegen drei saß er wieder am Schreibtisch.
 
Gegen sechs holte ihn wieder die Großmama zum spazieren gehen ab, um sieben gab’s Abendessen, und danach wurde gelesen oder man hat sich unterhalten.
 
"Freizeit" hatte er so gut wie keine. Aber er ist gerne gereist, und das waren Kulturreisen. Wenn er in Paris auf Konzertreise war, stand er schon um neun Uhr im Louvre, in Wien im Kunsthistorischen, in London in der Tate Gallery usw. Er konnte einfach nicht müßig sein.
 
Richard Strauss, geboren am 1. November 1927 in Wien, gestorben am 2. Juni 2007 war der ältere Sohn von Richard Strauss’ Sohn Franz und dessen Frau Alice. Als ausgebildeter Opernregisseur widmete er sich der Pflege und der Verwaltung des Werkes seines Großvaters, unterstützt von seiner Frau Gabriele, der Tochter des Star-Baritons Hans Hotter.
 
(Quelle: "Richard Strauss – ein Besuch in seiner Villa" – Video, September 1999)
Einblick ins private Familienalbum

Hans Hotter: Ein uneitler Mensch mit viel Humor

Als junger Sänger profitierte der deutsche Bassbariton Hans Hotter sehr von Strauss’ Offenheit und Leichtigkeit in der Arbeit. Er schätzte die betonte Einfachheit und Freundschaftlichkeit des berühmten Komponisten - und erinnert sich hier an eine legendäre Skat-Partie in Garmisch.
Er war ein Mensch, der in keiner Weise den Eindruck einer besonderen Persönlichkeit hervorrufen wollte, weder in seinem Habitus noch in seiner Art, sich zu kleiden oder zu bewegen. Er sprach mit einem österreichisch gefärbten Münchner Dialekt und hatte sehr viel Humor. Auch in der Arbeit war er von einer Offenheit und Leichtigkeit, von einer Freundschaftlichkeit, die es einem leicht gemacht hat, ganz normal zu reagieren.
 
(TV-Sendung "Romantik und Resignation")
 

„Da gab es nie eine Eitelkeit“

Man muss wissen, dass Strauss oft sehr impulsiv war und aus einer momentanen Stimmung heraus Dinge sagte, die man nicht immer so ganz wörtlich nehmen durfte. Als ich einmal das Glück hatte, mit ihm an einigen seiner Lieder zu arbeiten, sprach er so, wie es seine Art war, beinahe nur für sich, vor sich hin: "Eigentlich sind mir die Lieder das Liebste, was ich geschrieben habe." Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das eine endgültige Feststellung war. Geklungen hat es schon ernsthaft. […]
 
Die wertvollen Hinweise, die er einem jungen Sänger beim Hineinwachsen in eine neue Rolle gab, seine unkomplizierte Art, an Probleme heranzugehen, sie am Ende zu meistern, all dies aus dem unerschöpflichen Quell der Erfahrung eines jugendlich wirkenden 75-Jährigen, das war ein großes, unauslöschliches Erlebnis für mich.
 
Und was auf mich den stärksten Eindruck machte: Was immer er sagte oder tat, es geschah mit größter Einfachheit. Nie hatte man das Gefühl, einen Menschen vor sich zu haben, der sich seiner Bedeutung bewusst war oder dies auch entsprechend ausgespielt hätte. Da gab es nie Eitelkeit, wie sie doch vielen vom Schicksal überdurchschnittlich Bedachten oft zu eigen ist.
 

„Dr. Strauss, Richard, Kapellmeister“

Hier noch ein kleiner Hinweis darauf, wie sehr sich Strauss in erster Linie als praktisch ausübender Musiker sah und nicht als den größten Komponisten seiner Zeit, der er doch war. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, als es noch nicht Mode war, dass Prominente eine geheime Telefonnummer hatten, las ich zu meinem Erstaunen im Garmischer Telefonbuch die folgende Eintragung: Dr. Strauss, Richard, Kapellmeister, und nicht, wie man vermuten könnte, "Komponist".
 
 
Ich erinnere mich noch deutlich an jenen für mich denkwürdigen Tag: In der gemütlich wohligen Atmosphäre seines Heims im Loisachtal, am Fuße der Zugspitze, wurden wir, meine Frau und ich, vom Ehepaar Strauss mit einem köstlichen Mittagsmahl verwöhnt – im Kriegsjahr 1944 ein nicht alltäglicher Genuss.
 

Vier Stunden Lied-Marathon in Garmisch

Anschließend führte mich der Meister in sein Arbeitszimmer, wo sich im Verlauf der nächsten Stunden Außerordentliches begab. Der Maestro nahm am Flügel Platz, wo er bereits einen ansehnlichen Stapel von Musikalien und Liedbänden vorbereitet hatte. Vier Stunden lang führte mir dann der Künstler ohne Unterbrechung, mit dem jugendlichen Elan und Enthusiasmus seiner nahezu 80 Jahre, eine schier endlose Reihe mir noch unbekannter Lieder vor, spielte und sang sie.
 
Dabei erfand er eine bunte Palette von Nuancen und Farben im Ausdruck der Worte und versah die Kompositionen zwischendurch mit gescheiten, köstlich heiteren und teilweise erfrischend deftigen Kommentaren.
Hans Hotter: Häufiger Gast im Hause Strauss

Ein tollkühn-mutiger Skatspieler

So manche Nachmittage und Abende während der Salzburger Festspiele und in der Garmischer Villa habe ich ihn in seiner Spiellust erlebt. Alle, die wir zu diesen Runden zugelassen waren, haben von ihm und seiner wirklich alles beherrschenden Leidenschaft, seinen raffiniert ausgeklügelten Spielzügen, aber auch tollkühn-mutigen riskanten Einfällen gelernt. […]
 
Einmal während der Urlaubszeit lud mich mein Freund und Tenorkollege Franz Klarwein für ein paar Tage zu sich in sein Garmischer Haus ein. Kaum hatte Strauss das gehört, lud er uns beide in sein Haus zu einem zünftigen Skat. Und da passierte das Ungewöhnliche: Der Meister spielte ein wenig zu riskant, "überreizte" sich, wie man beim Skat sagt, und merkte schon nach drei Stichen, dass er keine Chance mehr hatte, zu gewinnen.
 
Wütend warf er die restlichen Karten auf den Tisch und brach zornig in jene Worte aus, die aus seinem Mund gehört zu haben sich wahrscheinlich nur wenige rühmen können: "Jetzt leckt’s mich alle am …!"
 


Spielschulden hinter Paulines Rücken beglichen

Mit diesem einen Spiel hatte er fast 800 Mark verloren […]. Mit wilder Energie und Verbissenheit, seinem unglaublichen Können und auch einer gehörigen Portion Glück gelang es ihm, innerhalb von zwei Stunden seinen Verlust bei uns auf ca. 300 Mark herunter zu arbeiten. Dann betrat seine Gattin Pauline den Raum und erkundigte sich, wie lange das denn heute wieder dauere. "Ja, also, meine Herren", sprach der Herr des Hauses resignierend, "dann mach ma halt Schluss, und", mit gedämpfter Stimme auf die Skatabrechnung deutend, "das erledigen wir schon. Ich bring Sie noch hinaus."
 
Wir erhoben uns, Strauss begleitete uns bis zur Straße, nicht ohne noch einen kurzen prüfenden Blick in die Richtung des Hauses geworfen zu haben. Dann griff er kurz in die Rocktasche, holte drei zerknüllte Hundertmarkscheine hervor, drückte sie mir in die Hand und grunzte ärgerlich: "Und jetzt schaut’s, dass weiterkommt’s, Saubuam, elendige!"
 
(Quelle: Hans Hotter, "Der Mai war mir gewogen …". Erinnerungen, München 1996)
 
Hans Hotter, geboren am 19. Januar 1909 in Offenbach am Main, gestorben am 6. Dezember 2003 in München, war ein Bassbariton und einer der bedeutendsten Interpreten von Richard Strauss’ Opern und Liedern. Familiär war Hotter der Familie Strauss auch verbunden: Seine Tochter Gabriele ist mit dem Strauss-Enkel Richard verheiratet.

Manfred Mautner-Markhof: Ein guter Verlierer beim Skat

Der österreichische Industrielle Manfred Mautner-Markhof schätzte Richard Strauss nicht nur als Freund, sondern auch als souveränen Verlierer beim Kartenspiel. Doch fast noch stärker ist seine Erinnerung an Pauline und ihr Verständnis der Elektra.
Ich weiß nicht, woher der Blödsinn kommt, Richard Strauss habe beim Kartenspielen immer gewinnen wollen. Ich habe wirklich viel Karten gespielt – aber nie mit einem besseren Verlierer als Strauss. Einmal waren wir gemeinsam in Nervi – Strauss dirigierte damals in Genua gerade die italienische Erstaufführung der "Arabella".
 
Da wir eines Tages keinen Dritten hatten, mussten wir Pikett spielen. Wenn man Pikett kann, dann ist es ein Hasard. Wir konnten’s beide, aber ich habe diesmal gewonnen, gewonnen, gewonnen. Plötzlich sagte er: "Gehen S’, rufen S’ mit den Musikmanager Günzburg in Monte Carlo an, ich muss mit ihm reden."
 
Als ich Günzburg am Telefon hatte, nahm Strauss den Hörer und sagte: "Ich hab’ mir’s überlegt, ich möchte doch noch ein zweites Konzert dirigieren!" Er sagte das ganz entspannt, also keine Spur von einer unangenehmer Reaktion.
 

Pauline zu Tränen gerührt von der Kunst ihres Mannes

Meine Frau und ich haben einmal die Ehre gehabt, eine Woche lang in Garmisch eingeladen zu sein und dort zu wohnen. Eines Nachmittags tranken wir mit Frau Pauline Strauss Tee, während Vater Strauss gearbeitet hat. Wir haben natürlich von Oper gesprochen, und ich meinte, eine der großartigsten Stellen in der ganzen Opernliteratur sei die "Erkennungsszene" in "Elektra".
Pauline sprang plötzlich auf (ich natürlich auch) und sagte: "Die Elektren spielen das gewöhnlich falsch. Die fallen dem Orest um den Hals so wie eine Geliebte, die den Geliebten wiederfindet; es ist aber nur die Schwester, die den Bruder wiedererkennt, und sie soll an ihm herabsinken. Passen Sie auf, ich werde ihnen das zeigen. Sie sind Orest, ich Elektra." Ich fragte, einigermaßen verstört: "Was soll ich machen?" – "Gar nichts, bleiben Sie da stehen." Sie ist zurückgegangen und hat sich mir dann wieder langsam genähert und dabei die Melodie gesummt … sie ist an mir herabgesunken – damals war sie immerhin 79 Jahre alt! – und hat meine Knie umfangen.
 
Selbstverständlich habe ich sie aufgehoben und habe gesehen, wie ihr die Tränen hinunterliefen, so beeindruckt war sie von der Kunst ihres Mannes – mir kommen selbst die Tränen, wenn ich daran denke. Das hat mir wieder bewiesen: Ohne Pauline wäre Richard Strauss sicher nicht der große Mann geworden!
 
Manfred Mautner-Markhof, geboren am 17. September 1903 in Wien, gestorben am 4. Januar 1981 in Wien, war ein österreichischer Industrieller und bedeutender Kunstmäzen.
 
(Quelle: Richard Strauss-Blätter, Wien 1980)

Ludwig Thuille, österreichischer Komponist

Der aus Bozen gebürtige Ludwig Thuille (geb. 30. November 1861) pflegt mit Richard Strauss seit 1877 eine enge Freundschaft. Die beiden Komponisten haben sich in ihrer künstlerischen Entwicklung gegenseitig beeinflusst. Über die Beziehung zwischen Strauss und Thuille hat Professor Herbert Rosendorfer einen langen Text geschrieben, der hier zum Download bereit steht.

Thuille.pdf

Strauss, Thuille und „Taillefer“ oder Wenn einer so laut singt, dass der Turm wackelt.
Richard Strauss’ Biografie: Ein langes Leben zwischen Rebellion und Erfolg

Karl Böhm, österreichischer Dirigent

Als Generalmusikdirektor der Semperoper in Dresden hat Karl Böhm Richard Strauss kennengelernt, die beiden bleiben bis zu Strauss’ Tod künstlerisch und freundschaftlich verbunden. Sein „Künstlerisches Vermächtnis“ richtet Strauss an Böhm.
Der Dirigent und Operndirektor zählt zu den gewissenhaftesten und hingebungsvollsten Strauss-Interpreten seiner Zeit. "Seitdem ich als Bub die Proben zum Rosencavalier in Graz mitgemacht hatte, war ich dem Schaffen R. Strauss mit Leib und Seele verschworen" schreibt Karl Böhm an Pauline, als er die Nachricht vom Tode "meines vergötterten", "letzten großen Meisters" erhält.
 

Erste Begegnung bei der Premiere von „Arabella“ in Hamburg

Sein erstes Strauss-Werk, die "Alpensinfonie" dirigiert Böhm 1921 in Graz, knapp vor Antritt seines Engagements in München. Sein Weg führt ihn über Darmstadt nach Hamburg, wo es anlässlich der Premiere von "Arabella" zur ersten persönlichen Begegnung der beiden Musiker kommt.
 
Als Nachfolger des bei den Nazis missliebigen Fritz Busch wird Böhm 1933 Generalmusikdirektor in Dresden. Dort werden ihm (wie seinem mittelbaren Vorgänger Ernst von Schuch, der ebenfalls aus Graz stammte) auch Strauss-Uraufführungen anvertraut: 1935 hebt Böhm "Die schweigsame Frau", 1938 die ihm gewidmete "Daphne" aus der Taufe.
 
1942 erreicht Karl Böhm zum ersten Male den Posten des Staatsoperndirektors. Der Richard Strauss-Zyklus zum 80. Geburtstag des Meisters 1944 ist der Höhepunkt seiner kurzen Amtszeit, knapp bevor die allgemeine Theatersperre verkündet wird.


Strauss schreibt sein „Künstlerisches Vermächtnis“ an Böhm

Strauss und Böhm stehen seit Anfang der 1930-er Jahre in freundschaftlichem Briefkontakt, der auch über den Weltkrieg hinaus anhält. Im April 1945 formuliert Strauss an Böhm sein "Künstlerisches Vermächtnis", um ihn bei seiner "großen bevorstehenden Kulturarbeit", nämlich dem Wiederaufbau des Musikwesens, zu unterstützen. Tatsächlich wird dem Dirigenten 1955 abermals die Leitung der Wiener Staatsoper übertragen (die er abermals nur für kurze Zeit inne hat).
Karl Böhm war ein Freund fürs Leben.
Als letzter durch direkten Erfahrungsaustausch legitimierter Strauss-Dirigent hat sich Böhm auf den internationalen Opern- und Konzertbühnen größte Verdienste erworben – als gälte es, die Widmung rechtfertigen, die ihm Richard Strauss auf einem Porträt hinterließ: "Dem lieben Freunde und Nachfolger …". Böhms letzte Arbeit gilt Aufnahmen zu "Elektra" im Juni 1981; der Sängerin Leonie Rysanek hinterlässt er "Dank im Namen von R. Strauss und seinem Stellvertreter auf Erden“.

Karl Böhm, geboren am 28. August 1894 in Graz, gestorben am 14. August 1981 in Salzburg, war österreichischer Dirigent. Während der Nazi-Zeit war Böhm Generalmusikdirektor der Semperoper in Dresden und seit dieser Zeit Richard Strauss eng verbunden - als Freund und als Dirigent bei einigen Strauss-Uraufführungen.

Hans von Bülow, deutscher Starpianist, Dirigent und Komponist

Ein großer Wagner-Verehrer wird Hans von Bülow in den 1880-er Jahren zunächst Richard Strauss’ Lehrer und dann sein großer Mentor. Doch nicht nur praktisch, auch künstlerisch hat Bülow entscheidenden Einfluss auf den jungen Komponisten.
Franz Liszt und Richard Wagner sind die prägenden Gestalten im Leben des international gefeierten Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow. Mit Wagner trifft er 1846 erstmals zusammen und wird später einer der bedeutendsten Interpreten seiner Werke; bei Franz Liszt vervollkommnet Bülow sein Klavierspiel und heiratet 1857 dessen Tochter Cosima.
 
In Strauss’ Geburtsjahr 1864 beruft König Ludwig von Bayern den Musiker nach München. Dort macht sich Hofkapellmeister Bülow um die Reform der Musikschulen verdient und leitet die Uraufführungen von Wagners "Tristan und Isolde" (1865) und "Die Meistersinger von Nürnberg" (1868).
 

Cosima verlässt Bülow wegen Wagner

Der verehrte Meister dankt Bülows Zuneigung schlecht: 1869 trennt sich Cosima von ihrem Mann, um Richard Wagner zu heiraten. Trotzdem bleibt der Dirigent unbeirrbarer Verfechter von Wagners Musikdramen.
 
Dies macht ihn und Franz Strauss, Richard Strauss’ Vater, zu "grimmigen Gegnern", wie Richard später notiert. Trotz der ausgeprägten Antipathien gegen den Vater nimmt sich Bülow des Sohnes und seiner Werke an, verhilft ihm zu seinem Dirigentendebüt (1884) und zur ersten Anstellung, als Musikdirektor in Meiningen (1885).
 

„Einschneidendes Moment in meiner Laufbahn“

Ein Jahrzehnt lang bleibt der kompromisslose, kraftvolle Musiker Vorbild und Ratgeber für Richard Strauss. Bülow erkennt in ihm ein "Ausnahmetalent", Strauss schreibt über seinen Mentor: "Wer ihn einmal Beethoven spielen oder Wagner dirigieren hörte, wer je einer seiner Orchesterproben lauschte, für den musste er das Vorbild aller leuchtenden Tugenden des reproduzierenden Künstlers sein, und seine rührende Sympathie für mich, sein Einfluss auf die Entwicklung meiner künstlerischen Fähigkeiten war das einschneidende Moment in meiner Laufbahn."
Der junge Richard wird vom großen Hans von Bülow gefördert.
Bülows Arbeitsweise und manche seiner Aussprüche sind durch Strauss überliefert: "Lernt erst die Partitur einer Beethovenschen Sinfonie genau lesen, und ihr habt auch schon die Interpretation", oder: "Die Partitur im Kopf und nicht den Kopf in der Partitur, so gehört sich’s … auch wenn man’s selbst geschrieben hat!“.
 
Den Aufstieg des begabten Schützlings zum bedeutendsten deutschen Komponisten seiner Zeit hat Bülow nicht mehr erlebt: Er verstirbt im Februar 1894 in Kairo.
 
Hans Guido Freiherr von Bülow, geboren am 8. Januar 1830 in Dresden, gestorben am 12. Februar 1894 in Kairo, war ein glühender Verehrer Richard Wagners, bei dem er insbesondere das Dirigieren erlernte. Ab 1883 war er Klavierlehrer von Richard Strauss und später auch sein Mentor.

Hugo von Hofmannsthal, österreichischer Schriftsteller

Im österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal findet Richard Strauss seinen kongenialen Partner. In einem knappen Vierteljahrhundert ihrer Zusammenarbeit schaffen sie zehn große Werke, darunter den Bühnenhit „Der Rosenkavalier“, aber auch so revolutionär-sperrige Stücke wie „Elektra“.
Mit dem Wiener Schriftsteller und Dichter verbindet Strauss eine der bedeutendsten und produktivsten Künstlerfreundschaften aller Zeiten, die im Briefwechsel der beiden Künstler exemplarisch dokumentiert ist.
 
Das Kennenlernen zu Jahrhundertbeginn bleibt zunächst folgenlos, ein angedachter Ballettplan wird nicht realisiert. Doch als Strauss 1906 das "Elektra"-Drama des Dichters kennenlernt, wittert er einen idealen Opernstoff und bittet Hofmannsthal, "mir in allem Komponierbaren von Ihrer Hand das Vorrecht zu lassen. Ihre Art entspricht so sehr der meinen, wir sind füreinander geboren und werden sicher Schönes zusammen leisten, wenn Sie mir treu bleiben."
 
Strauss behält recht – wiewohl die Temperamente der beiden Genies ziemlich verschieden sind und der Schöpfungsprozess mit dem zupackend-fordernden Musiker für den übersensiblen Dichter nicht immer ohne Kränkungen verläuft.
 

Zehn große Werke des „Wunderteams“

In dem knappen Vierteljahrhundert der Zusammenarbeit verfassen Strauss und Hofmannsthal miteinander zehn große Werke (in Klammern jeweils das Jahr der Vollendung / Uraufführung, wenn diese nicht zusammenfallen): "Elektra" (1908 / 1909), "Der Rosenkavalier" (1910 / 1911), "Ariadne auf Naxos" (Erstfassung: 1912), das Ballett "Josephs Legende" (1913 / 1914), "Die Frau ohne Schatten" (1916 / 1919), "Ariadne auf Naxos" (zweite Fassung: 1916), die Komödie mit Tänzen "Der Bürger als Edelmann" (1917 /1918), die Beethoven-Bearbeitung "Die Ruinen von Athen", ein Festspiel mit Tänzen und Chören (1924), "Die Ägyptische Helena" (1928) und die letzte Oper "Arabella" (1932 / 1933), deren Vollendung und Uraufführung Hofmannsthal nicht mehr erlebt.
Hugo von Hofmannsthal war „sein“ Dichter.

Engagiert für die Salzburger Festspiele

Nicht nur als schöpferische Geister wirken die beiden zusammen; ab 1919 sind sie auch beide Angehörige des "Kunstrats" der Salzburger Festspiele, und Hofmannsthal ist dem Älteren ein wesentlicher Mitstreiter bei der Erlangung des Wiener Direktorenpostens.
 
Als Hugo von Hofmannsthal am 15. Juli 1929 einem Schlaganfall erliegt, schreibt Strauss tieferschüttert an die Witwe: "Noch nie hat ein Musiker einen solchen Helfer und Förderer gefunden – niemand wird ihn mir und der Musikwelt ersetzen!"
 
Hugo von Hofmannsthal (mit vollem Namen: Hugo Laurenz August Hofmann, Edler von Hofmannsthal), geboren am 1. Februar 1874 in Wien, gestorben am 15. Juli 1929 in Rodaun bei Wien war österreichischer Schriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Er schrieb vor allem Libretti und Dramen, darunter den berühmten „Jedermann“, aber auch Gedichte, Erzählungen und politische Schriften.
Eine Fülle von Werken als Nachlass für die Welt

Maria Jeritza, international gefeierte Sopranistin

Für Richard Strauss ist die Brünner Sopranistin die „Primadonna des Jahrhunderts“, interpretiert sie doch zahlreiche Titelpartien in Strauss-Opern. Doch auch privat sind die beiden verbunden: Nach dem Krieg helfen die Jeritza und ihr Mann dem berühmten Komponisten aus der finanziellen Patsche.
In einer humorvollen Widmung aus dem Jahre 1948 resümiert Richard Strauss, was die "Primadonna des Jahrhunderts" ihm alles bedeutet: "Der schönsten Frau der Welt, / der erhabenen Kaiserin, / großmächtigsten Prinzessin, / Mari-adne, Mari-andl – / Maria Jeritza, der Gütigen …"
 
Die erste Bezeichnung bedarf keines Kommentars, die letzte dankt für die Hilfe, die Maria Jeritza und ihr damaliger Gatte Irving P. Seery dem in finanzielle Bedrängnis geratenen Strauss zukommen ließen. Und dazwischen zählt der Komponist all die Paraderollen aus seinen Werken auf, welche sie sich angeeignet hat.
 

Hingebungsvolle Strauss-Interpretin

Eine "erhabene Kaiserin" ist sie bei der Uraufführung der "Frau ohne Schatten" (1919); Mariandl (Octavian) aus dem Rosenkavalier ist erwähnt; die Salome und Helena, mit der die Jeritza ebenfalls international glänzt, scheint Strauss "vergessen" zu haben. Für die Titelpartie in "Die Ägyptische Helena" ist Jeritza des Komponisten Wunschbesetzung, zur Uraufführung in Dresden (1928) steht sie jedoch nicht zur Verfügung und übernimmt die Partie erst wenig später in Wien.
 
„Ariadne“ kreiert die Künstlerin gleich zweimal: bei der Wiener Uraufführung 1916 und bereits vier Jahre zuvor, bei der Premiere der "Ariadne"-Erstfassung in Stuttgart. Strauss hat die junge Brünnerin (die noch unter dem Namen Mitzi Jedlicka auftritt) bei einer Aufführung von Offenbachs "Die schöne Helena", inszeniert von Max Reinhardt, in München entdeckt und sofort für seine neue, demselben Regisseur gewidmete Oper 1912 verpflichtet.

„Malven“ erst nach ihrem Tod aufgeführt

Die Karriere der jungen Künstlerin entwickelt sich kometenhaft. 1913 an die Wiener Hofoper engagiert, erweckt sie auch die Begeisterung Puccinis und ist zur Zeit des Amtsantritts von Richard Strauss als Künstlerischer Leiter der Staatsoper (1919) bereits ein Weltstar.
 
Es ist mehr als Wertschätzung, vielmehr besondere Zuneigung, die aus der Widmung des letzten Liedes "Malven" (1948) an die Künstlerin spricht: "Der geliebten Maria diese letzte Rose!" Jeritza behandelt das Autograph auch wie ein privates Geschenk und lässt es bis zu ihrem Tode niemanden einsehen. "Malven" wird erst 1985 in New York uraufgeführt.

Maria Jeritza, geboren am 6. Oktober 1887 als Marie Jedličková, gestorben am 10. Juli 1982 in Orange, New Jersey, war eine international gefeierte Sopranistin. Kaiser Franz Joseph I. holte sie an die Wiener Hofoper, später gehörte sie zum Ensemble der Metropolitan Opera in New York.

Clemens Krauss, österreichischer Dirigent und Operndirektor

Seit sich Richard Strauss und Clemens Krauss in den 1920-er Jahren an der Wiener Staatsoper kennengelernt haben, wird der österreichische Dirigent immer mehr zum führenden Strauss-Interpreten. Wie intensiv die Zusammenarbeit der beiden ist, zeigt sich am deutlichsten bei der Oper „Capriccio”, bei der Krauss das Libretto mitverfasst hat.
Bei einer Grazer "Salome"-Aufführung ist Strauss der "junge Kapellmeister namens Clemens Krauss außerordentlich aufgefallen" – ab der Saison 1922 engagiert der Künstlerische Leiter der Staatsoper den noch nicht 30-jährigen Krauss an sein Theater. Ein zweites Mal, 1929, ist es der Protektion von Richard Strauss zu verdanken, dass Clemens Krauss, zu dieser Zeit Intendant in Frankfurt, an die Wiener Staatsoper geholt wird, nun aber als Direktor.
 
1935 wechselt Krauss nach Berlin, 1937 als Generalintendant nach München, 1942 werden ihm von der wohlgesonnenen Reichsregierung auch die Salzburger Festspiele samt Mozarteum anvertraut. Die Nachkriegsjahre bringen dem großen Musiker und brillanten Organisator die tiefe Kränkung, nicht neuerlich den Wiener Direktorsposten zu erlangen.
 
Vier Uraufführungen von Strauss-Opern leitet der Dirigent: "Arabella" (1933), "Friedenstag" (1938), "Capriccio" (1942) – alle drei mit seiner Gattin Viorica Ursuleac – und "Die Liebe der Danae" (1952). Letztgenanntes Werk bringt Krauss bei den ihm unterstehenden Salzburger Festspielen 1944 zur öffentlichen Generalprobe, bei der auch der Komponist anwesend ist.
 

Höhepunkt: Zusammenarbeit bei „Capriccio”

Krauss zählt zu den führenden Strauss-Interpreten seiner Zeit. Die Verbindung von kongenialer Musikalität, ausgeprägtem Selbstbewusstsein und tiefstem Respekt Richard Strauss gegenüber ermöglicht es, dass Krauss nicht nur als Nachschöpfer, sondern in einigen Fällen auch als Berater und Mitarbeiter des Meisters tätig wird und sich, halb scherzhaft, als dessen "Leibdramaturg" bezeichnen kann.
 
Krauss macht Vorschläge zur szenischen Gestaltung der "Frau ohne Schatten", nimmt bedeutenden Einfluss auf die "Wiener Fassung" der "Ägyptischen Helena" (1933), und auch seine Anregungen zu "Arabella" und „Daphne" fallen bei Strauss auf fruchtbaren Boden. Höhepunkt der Zusammenarbeit ist jedoch fraglos die letzte Oper des Meisters, "Capriccio".
 
Die darin gestellte Frage nach dem Primat von Wort oder Musik wird nicht erst durch die Gegenfrage der Gräfin ("Entscheiden für einen?") aufgelöst, sondern schon durch die Musikalität des Textdichters und die Sprachgewandtheit des Tonsetzers.
 
Clemens Krauss und Richard Strauss sind auch privat in Verbindung.
Clemens Krauss, geboren am 31 März 1893 in Wien, gestorben am 16. Mai 1954 in Mexiko-City, war ein österreichischer Dirigent. Er fungierte als Intendant der Frankfurter Oper und in den 1930-er Jahren als Direktor der Wiener Staatsoper. In einem Naheverhältnis zu den Nationalsozialisten wurde er Generalmusikdirektor der Bayrischen Staatsoper in München, sein Herzenswunsch, wieder nach Wien berufen zu werden, wurde ihm verwehrt. Ab 1941 war er Leiter der Salzburger Festspiele, bis er 1945 mit Berufsverbot belegt wurde.