Opern

Nicht mit all seinen Opern war Richard Strauss beim Publikum erfolgreich. Mit vielen Bühnenwerken, wie etwa der „Elektra“, überforderte er sein Publikum, mit der „Ägyptischen Helena“ auch die Sängerin der Titelpartie. Während sich „Der Rosenkavalier“ schnell zum Kassenschlager entwickelt, bleibt die Rezeption von „Friedenstag“ bis heute gespalten.

Arabella

Die charmante wienerische Liebesgeschichte „Arabella“ – einen "zweiten Rosenkavalier" hatte man sich vorgenommen – wurde zur letzten Zusammenarbeit zwischen Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, der die Uraufführung nicht mehr erlebte.
Schon nach Fertigstellung von "Intermezzo" erbat Strauss ein neues Buch von seinem Dichter, und kurz vor der Vollendung der gemeinsamen Arbeit an der "Ägyptischen Helena" (1927) wurde der Wunsch drängender: "… jetzt habe ich nichts mehr zu arbeiten! Also bitte: dichten Sie! Es darf sogar ein ‚zweiter Rosenkavalier‘ werden!"
Hofmannsthal griff auf ältere Skizzen (die Novelle "Lucidor" und das Lustspielszenario "Der Fiaker als Graf") zurück und schuf "eine Spieloper, ja fast Operette", die nach eigener Meinung "dem Rosenkavalier verwandt ist, ohne jede Selbstnachahmung". Die Handlung spielt im Wien des Jahres 1860 und inspirierte Strauss sofort.
 

Hofmannsthals Tod

In besonders freundschaftlichem Ton tauschten Dichter und Komponist Briefe über die Arbeit an "Arabella". Das titelgebende Mädchen aus verarmter Familie verliebt sich in den reichen kroatischen Adeligen Mandryka, während ihre Schwester Zedenka nach vielen Wirren zu dem jungen Offizier Matteo findet. Zur Illustration des männlichen Helden studierte Strauss sogar kroatisches Volksliedgut, die Wienerische Atmosphäre gewann er wieder aus einer Reihe von Walzern.
Am 10. Juli 1929 übersandte Hofmannsthal den Arabella-Monolog, ein "ruhiger contemplativer Schluß" des ersten Aktes. Den Dankesbrief von Strauss konnte er nicht mehr lesen, ein Schlaganfall hatte ihn dahingerafft. Dramaturgische Schwächen, von denen die "Arabella" bei aller Meisterschaft einige aufweist, sind dem unzeitigen Tode des Dichters zuzuschreiben.
 

Uraufführung in ernster Zeit

Auch der Widmungsträger, der Dresdner Musikdirektor Fritz Busch, kam noch vor der Uraufführung abhanden – allerdings wich dieser dem Nationalsozialistischen Regime, das in Deutschland die Macht übernommen hatte. Von Busch übernahm der Wiener Staatsoperndirektor Clemens Krauss die Uraufführung (1. Juli 1933), seine spätere Frau Viorica Ursuleac sang die Titelpartie.
 
"Arabella" war der würdige Abschluss einer beispiellosen Zusammenarbeit, die Strauss später so resümierte: "Hofmannsthal war der einzige Dichter, der neben seiner poetischen Kraft und seiner Bühnenbegabung das Einfühlungsvermögen besaß, einem Komponisten Bühnenstoffe in einer der Vertonung zugänglichen Form darzubieten …".

Ariadne auf Naxos

Kaum eine Opuszahl bei Strauss umgreift so viele verschiedene Werke wie „op 60“: zwei Fassungen einer Oper, zwei Fassungen einer Schauspielmusik und eine Orchestersuite. "Ariadne" ist für den Opernfreund jedoch einzig das Werk, das die vielleicht berühmtesten Libretto-Worte Hofmannsthals enthält: "Musik ist eine heilige Kunst".
Hofmannsthal hatte "Ariadne" als ein Intermezzo in der gemeinsamen Arbeit beabsichtigt, aus dem jedoch "ein neues Genre" hervorgehen sollte. Strauss stand der Idee des Dichters von Anfang an eher kühl gegenüber, und die problematische Uraufführung in Stuttgart 1912 schien ihm Recht zu geben. Als Dank an Max Reinhardt wurde sein Einakter "Ariadne auf Naxos" als Nachspiel zu einer Neufassung des Moliereschen "Bürger als Edelmann" gegeben, womit sowohl das Ensemble als auch das Publikum überfordert waren.
 
Rasch entschloss man sich zu einer Neubearbeitung, die ein durchkomponiertes Vorspiel im "Hause des reichsten Mannes von Wien" anstelle der Sprechkomödie setzte, in dem eine der meistgelobten Figuren des Autorenduos hervortritt: der Komponist, abermals eine Hosenrolle wie Octavian. Sein Lob auf die Kunst ist programmatisch: "Musik ist eine heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut" (wobei das "eine" aus Gründen der Sangbarkeit von Hofmannsthal hinzugefügt werden musste).
 

Vergessen und Beharren

Auffällig ist die reduzierte Orchesterbesetzung der "Ariadne", mit der sich Strauss noch deutlicher an seinem Ideal Wolfgang Amadeus Mozart orientierte und den "Wagnerschen Musizierpanzer nun definitiv abgestreift" hat, wie er seinem Kompagnon mitteilte. Hofmannsthals Text hat den Komponisten jedenfalls zu einer Perlenschnur stimmungsvoller und delikater musikalischer Einfälle inspiriert. In einem Brief erklärte der Dichter die Tiefe des "Ariadne"-Stoffes: Die Spannung zwischen Verwandlung und Vergessen einerseits und Beharren und Treue andererseits sei "einer von den abgrundtiefen Widersprüchen, über denen das Dasein aufgebaut ist".
 

Auf dem Weg nach Wien

In der endgültigen Form wurde das Werk am 4. Oktober 1916 an der Wiener Hofoper unter Franz Schalk uraufgeführt und bereitete mit den Weg für die Übernahme der Direktion durch Strauss und Schalk drei Jahre darauf. Die Uraufführung des "Bürger als Edelmann" in neuer musikalischer Bearbeitung unter des Komponisten Leitung (1924) sollte bemerkenswerterweise seine letzte Wiener Premiere in diesem Amt sein. Nach dem "Rosenkavalier" war "Ariadne auf Naxos" die zweite musikalische Liebeserklärung an die Stadt, für die Strauss im Laufe der Jahre gewiss nicht nur Liebe empfunden hat …

Capriccio

Mit diesem "Leckerbissen für kulturelle Feinschmecker" verabschiedete sich Richard Strauss vom Opernschaffen: "… es ist auch nach wie vor der beste und würdigste Abschluß und dabei soll es nun definitiv bleiben bis in alle Ewigkeit Amen!"
Kein anderes Textbuch zu einer Strauss-Oper ist durch so viele Hände gegangen: Das erste Szenario (1934) stammte von Stefan Zweig, der Strauss jedoch schon im April 1935 mitteilen musste, dass er aufgrund der politischen Situation nicht mehr als Mitarbeiter zur Verfügung stehen würde.
Zweig empfahl Joseph Gregor, mit dem die Arbeit an dem Projekt 1939 wiederaufgenommen wurde. Doch sein Entwurf befriedigte Strauss nicht (dafür wurden Gregors Libretti zu "Daphne", "Friedenstag" und "Die Liebe der Danae" umgesetzt), weshalb sich der Komponist an den Dirigenten Clemens Krauss wandte, mit dem er die Oper schließlich vollendete. Das im Stück zentrale Sonett von Pierre Ronsard fand und übersetzte der Dirigent Hans Swarowsky.
 

"Prima la musica, …"

Die Entstehung von "Capriccio" ist in dem Briefwechsel mit Clemens Krauss (dem gehaltvollsten, den Strauss nach Hofmannsthal geführt hat) genau dokumentiert. Im Zentrum der Handlung steht die alte Streitfrage, ob dem Text oder der Musik das Vorrecht gebühre.
Verkörpert wird dieser Widerstreit von einem Dichter und einem Musiker. Sie arbeiten gemeinsam an einer Oper (es ist "Capriccio"!) und beide verehren sie die Gräfin Madeleine. Das Stück schließt "mit einem Fragezeichen"; die elegante Madeleine, ein Inbegriff straussischer Bühnenfiguren, wagt die Entscheidung nicht.
 

"…nur ein Testament …"

Der Textdichter Krauss leitete auch die umjubelte Uraufführung von "Capriccio" am 28. Oktober 1942 an der Münchner Oper, deren Direktor er war. Eine hervorragende Besetzung (darunter Viorica Ursuleac und Hans Hotter) standen ihm zur Verfügung, und das Stück wurde bis zur Zerstörung der Münchner Oper im Oktober 1943 vor ausverkauften Häusern gegeben.
Als Krauss dem Komponisten ein weiteres Opernprojekt vorschlug, antwortete dieser: "Man kann doch nur ein Testament hinterlassen!" Mit der Mondscheinmusik aus dem Finale von Capriccio erschien Strauss am 13. Juli 1949 zum letzten Male am Dirigentenpult.

Daphne

Der Textdichter Joseph Gregor bezeichnete die Oper „Daphne“ als bukolische Tragödie, sie ist auch als ein mythologisches Pendant zu Richard Strauss‘ „Friedenstag“ zu sehen: Der Mensch, um Versöhnung mit sich, Gott und der Natur bemüht.
Plutarch und Ovid haben die Geschichte erzählt. „Daphne“ – dies ist auch eines der ältesten Libretti der Operngeschichte: Jacopo Peris bis heute verschollene „Dafne“ gilt als die erste Oper der Musikgeschichte überhaupt, Heinrich Schütz verwendete dieselbe Handlung für die erste Oper in deutscher Sprache.
 

Liebe zur Natur

Die Liebe Daphnes zur Natur, die Verstrickungen der Dreiecksbeziehung zwischen dem Hirtenknaben Leukippos, Gott Apollo und Daphne ziehen sich wie ein roter Faden durch die Musikgeschichte. Strauss selbst sprach - als er mit der Idee, sich dem Daphne-Stoff zu widmen, konfrontiert wurde – von einem möglichen „Einakter“.
Ein solcher ist es auch - bei knapp zwei Stunden Spieldauer - bis zur Uraufführung am 15. Oktober 1938 in Dresden geworden. Dirigent Karl Böhm, Widmungsträger der Partitur, leitete die Uraufführung, es war die neunte und letzte einer Strauss-Oper in Dresden.
 

„Theater und keine Literatur!“

Vorangegangen sind der Uraufführung umfangreiche Diskussionen um Libretto, auch Fragen, wer nach dem Tod Hofmannsthals sowie des politischen Totschlags des Juden Stefan Zweig in der Nazi-Diktatur Strauss überhaupt als Librettist die nötige Inspiration liefern könnte.
Auf Joseph Gregor, der in enger Zusammenarbeit mit Stefan Zweig den Text zu „Friedenstag“ verfasst hatte, fiel der Vorschlag. Gregor, Sohn eines sudetendeutschen Architekten und Gründer des Wiener Theatermuseums, hatte jedoch trotz der Empfehlung durch Zweig kein leichtes Spiel.
 
Strauss schrieb nach der Übermittlung des „Daphne“-Konzepts: „Es ist ein völliges Nacheinander, keine Spur von irgendeiner Schürzung des dramatischen Knotens, es fehlt eine grosse Aussprache zwischen Apollo, Leukippos und Daphne... dunkel und geheimnisvoll. Nichts darf hinter der Szene geschehen, auch nicht der Mord an Leukippos! Theater und keine Literatur!“
Drei Textversionen wurden vom libretto-unerfahrenen Gregor produziert, ehe sich beide im Sommer und Winter 1936 bzw. 1937 bei Aufenthalten in Garmisch und an der Adria auf eine vierte einigen konnten. Für einen weiteren Eklat sorgte im Mai 1937 die - ohne Rücksprache mit Gregor - getroffene Einigung mit Clemens Krauss: „Wir sind übereingekommen, dass nach Apollos Abgang außer Daphne kein menschliches Wesen mehr auf der Bühne erscheinen kann!“.
 



„Ich komme – ich komme – Grünende Brüder“

Im Dezember jedoch vollendet Strauss die Partitur bei einem Taomina-Aufenthalt, das Werk gilt für Kenner als „Geheimtipp“ – und salopp formuliert als erste „Grüne“ Oper: Mit Daphnes Verwandlung in einen Lorbeer-Baum hat Strauss – adäquat zum Wunder, das sich auf offener Bühne vollziehen soll – eine der herrlichsten Passagen in seinem Gesamtwerk geschaffen.
Textdichter Gregor philosophierte in poetischen Tönen über das Finale: „Die Verwandlung der Daphne, ein besonders bezeichneter Abschnitt, ihre Natur erfüllend, aber unendlich hinausgehend über die Natur, wie Salome sich einst in ihrer Leidenschaft erst musikalisch erfüllte, hier in völligem Einswerden mit der Musik, so daß die Worte abgestoßen werden können und Daphne nur noch Stimme ist, aus dem vom Mondlicht durchleuchteten Wipfel ertönend.“

Ägyptische Helena

Scheinbar ein antikes Sujet greift die „Ägyptische Helena“ nach dem Ersten Weltkrieg einen hochaktuellen Stoff auf: Wie man traumatische Ereignisse – ob mit oder ohne Zaubertrank – vergessen oder zumindest verwinden kann.
„Hurra, die Dynastie ist gerettet. Ein Allerheiligenkind muß mindestens Papst werden.“ Richard Strauss – Ende 1927 im Glückstaumel ob der Tatsache, dass er zum ersten Mal Großvater geworden ist, hat künstlerisch schwierige Zeiten zu bestehen: Dresden, als Uraufführungsstätte der „Ägyptischen Helena“ auserkoren, will sich die Sopranistin Maria Jeritza als Darstellerin der Titelpartie nicht leisten, stattdessen die eigene Hofsängerin engagieren.
Die Jeritza, beleidigt, weigert sich daher auch lange Zeit, die nur fünf Tage später angesetzte Wiener Erstaufführung zu singen. Erst Strauss‘ Bemerkung „die Rolle wird Ihnen einen unerhörten Triumph eintragen“ kann sie erweichen. Der Jubel in Wien gibt Strauss, nach Fritz Busch – der die Uraufführung am 6. Juni 1928 in Dresden dirigierte – am Pult, recht. Maria Jeritza, um ihre stimmlichen Schwächen im zweiten Akt wissend, täuscht dennoch eine kleine Ohnmacht vor – ohne sich das weitere Auftreten am Premierenabend nehmen zu lassen.
Die Presse da wie dort reagiert gespalten, auch Strauss selbst genehmigt in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Clemens Kraus)für Aufführungen im Salzburger Festspielsommer 1933 Umarbeitungen.
 

„Machen wir mythologische Opern“

Bereits 1920 hatte Hugo von Hofmannsthal, knapp nach „Ariadne“ und „Die Frau ohne Schatten“, Strauss ein weiteres antikes Sujet vorgeschlagen: „Danae oder die Vernunftheirat“. Ein Sujet, das Strauss nicht anzusprechen vermochte. Erst Jahre später sollte der Plan mit Joseph Gregor als Librettisten verwirklicht werden.
Das von Hofmannsthal noch 1928 in seinem „Helena“-Essay vertretene „Machen wir mythologische Opern, es ist die wahrste aller Formen“ wird dennoch eingelöst. Die Heimreise Helenas und Menelaos aus dem brennenden, vom Krieg zerrütteten Troja führt zu einer weiteren Etappe der so fruchtbaren Zusammenarbeit Hofmannsthal-Strauss.
 

„Das braucht’s halt für die Dienstmädchen“

1923, als der Dichter Strauss ein knappes Szenarium liefert, werden neben Fragen zur Ästhetik bereits Besetzungsdetails erläutert. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs spiegeln sich in dem Werk ebenso wie barocke Bühnengepflogenheiten – und die bis heute aktuelle Frage wie sehr man traumatische Geschehnisse (ob mit oder ohne Zaubertrank – heute: Psychopharmaka) vergessen oder zumindest übergehen kann. Nach ausführlichen Briefwechseln, auch kurzen Phasen der Stagnation ist 1928 die Arbeit an der „Helena“ vollendet, der Startschuss zu den Proben kann gegeben werden.
Als der Uraufführungsdirigent Fritz Busch einige Stellen in der Partitur unverblümt als trivial bezeichnet, reagiert Strauss gelassen: „Das braucht’s halt für die Dienstmädchen, glauben S‘ mir, das Volk ginge nicht in den Tannhäuser, wenn das Lied an den Abendstern nicht drin wäre.“
 

Originalpartitur als Wertanlage

Die „Ägyptische Helena“ ist nie ein Repertoire-Werk geworden, auch ob zweier an die Grenzen des Sangbaren gehenden hochdramatischen Rollen. Wiederaufführungen 1970 an der Staatsoper oder zuletzt – in konzertanter Form – bei den Salzburger Festspielen haben jedoch gezeigt, dass auch dieses Werk Potential besitzt, nicht nur folgender biographischen Pointe wegen.
Richard Strauss will ob seines Enkels – der kleine erhält sogar den Namen des Großvaters – einen Familiensitz schaffen: Der Kauf des Grundes des zuvor nur gepachteten Wiener „Belvedere-Schlössls“ wird mit der Originalpartitur von „Die Ägyptische Helena“ bezahlt – sowie mit 100 ohne Gagen zu dirigierenden Abenden als Zugabe.

Die Liebe der Danae

Gold oder Liebe – das scheint die Frage im Leben der Danae zu sein. Der Untertitel „Heiter Mythologie“ deutet das Operettenhafte an, doch enthält das Stück auch bitteren Ernst.
„Besten Dank für die Danaescene: sie enthält ein paar hübsche Gedanken – entspricht aber nicht dem was mir vorschwebt.“ Joseph Gregor, von Stefan Zweig empfohlener Librettist der „Danae“, hat kein leichtes Spiel. Strauss scheint – nicht zuletzt in unzähligen Abänderungswünschen – unverhohlen klar zu machen, dass für ihn Gregors Tun nicht mit der Genialität eines Zweigs oder Hofmannsthals vergleichbar sei.
Und doch kann ebendieser Gregor Strauss mit einem Stoff inspirieren, den Strauss Jahre zuvor – als Hofmannsthal 1920 eine Szenerie selben Inhalts entworfen hatte – unkommentiert zur Seite gelegt hat. Und: Zu einem Werk, das Strauss selbst – zumindest vor seinem „Capriccio“ – als Krönung und Endpunkt seines gesamten Schaffens angesehen hat.
 

„Griechische Götterdämmerung“

Die alles Gold und göttliche Unsterblichkeit aus Liebe verweigernde Danae – ein, wie es scheint, in Kriegszeiten weltfremdes Thema. Strauss‘ jüdische Schwiegertochter unter Hausarrest, deren Söhne von der Schule verwiesen, bei Vollendung des 1. Aktes Deutsche Invasion in Polen: „Danae“, die Kompositionsarbeit generell scheint Strauss‘ Freude und Trost in schweren Zeiten zu sein.
Das Werk, wie der Untertitel „Heiter Mythologie“ verrät, als leichte operettenartige Komödie Offenbachscher Form geplant, enthält in der Person Jupiter freilich auch eine Figur mit der sich Strauss selbst identifizierte: Die milde Verklärung, die Jupiters Resignation im dritten Akt kennzeichnet, spiegelt Strauss Lebens-Situation wieder: „... in weiter Ferne zieht der große Ruhlose in den Abschied des Abends“.
Heitere Ironie und bitterer Ernst liegen in der „Danae“ nahe beieinander. Ein dichtes Geflecht an (Leit-)Motiven, das mit dem „Ring“ korrelierende Thema vom korrumpierenden Gold lässt auch den Ausspruch von der „Griechischen Götterdämmerung“ (Willi Schuh in seiner Uraufführungskritik) gerecht erscheinen: Zeus, Jupiter und Wagners Wotan in einer Reihe.
 

Generalprobe statt Uraufführung

Am 29. Juni 1940 liegt die Partitur fertig komponiert vor – Dirigent Clemens Krauss, der bereits beratend am Libretto mitgewirkt hatte, erhält die Aufführungsrechte für Salzburg. Anfang August 1944 sollte die Uraufführung zum 80. Geburtstag Strauss‘ über die Bühne gehen. Jedoch, das Hitler-Attentat, die totale Kriegserklärung – und nicht zuletzt auch der Unmut, den Strauss wiederholt von höchster Stelle auf sich gezogen hatte – verhindern die Aufführung.
 

„Schönste Abschluß meines Lebens“

Erst nach intensiver Überzeugungsarbeit durch Clemens Krauss und den Salzburger Gauleiters Gustav Scheel wird ein Kompromiss erzielt: Propagandaminister Goebbels erlaubt eine halb-öffentliche Generalprobe am 16. August. Die eigentliche Uraufführung folgt 1952, ebenfalls bei den Salzburger Festspielen, in das Repertoire aber konnte Strauss’ „Danae“ bis heute nicht Eingang finden.
Und: Erst anlässlich der Salzburger Festspiel-Neuinszenierung im Jahr 2002 wagt sich überhaupt ein Bariton an die originalen Höhen der sonst immer tiefer transponierten Jupiter-Partie: Franz Grundheber.
Zumindest das Finale gehört fraglos mit zum Berührendsten, was je Strauss‘ Feder entflossen ist – die Worte Richard Strauss‘, 1944 nach der Salzburger Generalprobe niedergeschrieben, ebenso: „Es war der letzte, unvergeßliche, schönste Abschluß meines künstlerischen Lebens.“
 

Elektra

Neuerlich lieferte ein Besuch in Reinhardts Berliner Theater dem Komponisten eine Opernidee: 1903 sah er dort "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal, und entdeckte in dem Schriftsteller bald seinen idealen Librettisten.
Eine leichte Komödie oder einen "schönen Renaissancestoff" begehrt der Komponist anfangs vom Dichter, doch bald einigt man sich auf "Elektra". Strauss‘ Sorge, der Stoff sei der zuvor vertonten "Salome" zu ähnlich, entkräftet Hofmannsthal: "Bei der Salome so viel purpur und violett, in einer schwülen Luft, bei der Elektra dagegen ein Gemenge aus Nacht und Licht, schwarz und hell".
Im Juni 1906 beginnt die Zusammenarbeit, die in dem faszinierenden Briefwechsel der beiden Genies dokumentiert ist, zwei Jahre später bezieht Strauss die Villa in Garmisch, wo er sich der Fertigstellung der "Elektra" widmen kann.
 

"Dieses dämonische, ekstatische Griechentum"

Hofmannsthal stützte sich ebenso auf Sophokles wie auf die "Studien über Hysterie" von Breuer und Freud, Strauss‘ Anliegen war es, "dieses dämonische, ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winckelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenzustellen".
Es gelingt ein von der ersten bis zur letzten Sekunde packendes Musikdrama, auf dem äußersten Vorposten traditioneller Ästhetik, und diese manchmal bewusst hinter sich lassend. Die vom Mord an ihrem Vater Agamemnon zutiefst verwundete, aber kraftvoll-stolze Atridentochter Elektra sehnt ihren totgeglaubten Bruder herbei- Dieser erscheint wirklich (die Erkennungsszene der Geschwister ist Höhepunkt der Oper) und nimmt Rache an den Mördern seines Vaters: der Mutter Klytämnestra und ihrem neuen Liebhaber Ägisth. Elektra geht an ihrem eigenen Freudentanz zugrunde.
 

"Musik hab ich gar keine gehört!"

Wieder wird die Uraufführung dem Dresdner Opernhaus und dem Dirigenten Schuch anvertraut (Strauss schreibt ihm: "Dass ich Ihnen treu bleibe, darauf können Sie fest rechnen trotz aller klingenden Versuchungen"), sie findet am 25. Januar 1909 statt. Wieder findet das Werk größte internationale Resonanz mit den gewohnten abfälligen Stimmen im Chor der Begeisterten.
Strauss, der ahnungslos Ehrliche immer den obergescheit Gebildeten vorzog, kolportierte selbst diese Anekdote: "Nach einer Aufführung in Basel wurde ein biederer Schwyzer gefragt, wie ihm die Oper gefallen habe. ‚O, ganz großartig!‘ – ‚Und die Musik?‘ – ‚Musik hab ich gar keine gehört!‘ So ein Zuschauer ist mir lieber als ein kritisierender Dilettant, der die Musik schließlich doch nicht verstanden hat."

Friedenstag

Die Rezeption dieser Oper ist bis heute gespalten. Einerseits sendet sie eine Friedensbotschaft, andererseits ist sie von der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten schwer zu lösen.
„Inzwischen schreibe ich Ihnen wegen jenes festlichen Einakters: (...) Ich möchte drei Elemente darin zusammenfassen: das Tragische, das Heroische und das Humane, ausklingend in jenen Hymnus an die Versöhnung der Völker, an die Gnade des schaffenden Aufbaus: nur möchte ich Kaiser, Könige ganz aus dem Spiel lassen und es ins Anonyme stellen.“
Am 21. August 1934 sendet Stefan Zweig dieses Szenarium an Strauss, wenige Monate später sollte die politische Situation rund um die Uraufführung der gemeinsam geschaffenen „Schweigsamen Frau“ eskalieren. Eine zweite Opern nach einem Libretto vom Juden Stefan Zweig scheint – zumindest was die Realisierung im Theater betrifft – aussichtslos.


„Das geht alles auf Stelzen“

Der Wiener Theaterwissenschaftler Joseph Gregor, dessen „Weltgeschichte des Theaters“ Strauss kennt und schätzt, wird von Zweig als politisch akzeptabler Librettist ins Spiel gebracht. Strauss scheint die Zusammenarbeit primär aufzunehmen, um seinen Zweig als Mitarbeiter nicht gänzlich zu verlieren.
Über das Projekt, das Zweig zunächst kurz „1648“ genannt hatte, schreibt Strauss zunächst, im Oktober 1935: „Ich glaube nicht, daß im Dreißigjährigen Krieg ein Feldhauptmann über den ‚herrlichen Gedanken Krieg‘ je auch nur ein Wort gesprochen. Dies ist eine Art von ‚Poesie‘, die auf dem Theater völlig versagt.“
Trotz des Mangels an stofflicher Faszination, Strauss Ausspruch „es will keine Musik werden“ wird das Werk parallel zu „Daphne“ doch weiter bearbeitet und bereits im Juni 1936 vollendet. Das einaktige op.81 und die bukolische Tragödie sollen gemeinsam in Dresden uraufgeführt werden. Ein Gedanke, der ob der inhaltlichen Parallelen nicht abwegig scheint: Die Versöhnung zwischen den Menschen spiegelt sich in der Versöhnung mit der Natur wieder.
 

Uraufführung in München

Die Pläne sollten sich jedoch kurzfristig ändern, Strauss vergibt die Uraufführung an Clemens Krauss, der das Werk bereits  am 24. Juli 1938 zum Auftakt der Sommerfestspiele in München dirigiert. Immerhin an die hundert Aufführungen erlebt „Friedenstag“, der dominanten Chorszenen wegen in den Grundzügen einem Oratorium ähnlich, bis zum Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs auf deutschen Bühnen.
 

„Geliebter, nicht das Schwert!“

Die Rezeption des Werkes ist bis heute eine gespaltene. Die Mahnung zur Gewaltlosigkeit, die augenscheinlichen Parallelen zu Beethovens „Fidelio“ sprechen für die Friedensbotschaft: Mit Worten wie  „Geliebter, nicht das Schwert! Nicht mehr das Wort Unfrieden, Feindschaft!“ führt Maria die Versöhnung zwischen den verfeindeten Kommandanten herbei – mit „Herrscher, Geist, zu dir!“ endet der Einakter.
Und doch: Von der nationalsozialistischen Vereinnahmung – die Politik trachtete zur Uraufführungszeit Kriegspläne noch bewusst geheim zu halten – ist es ebenso schwer zu lösen. Der Ausspruch von der ersten aus nationalsozialistischem Geist geborenen Oper, die Deutungen des Finales als eine Apotheose auf den Messianismus eines „Tausenjährigen Reiches“ wirken nach.
Gründe dafür, dass „Friedenstag“ bis heute zu Strauss‘ am seltensten aufgeführten Werken gehört, liegen aber nur zum Teil an der Thematik rund um den Westfälischen Frieden, mit der Strauss zum einzigen Mal auf ein weltpolitisches Ereignis Bezug genommen hat. Sie sind wohl auch in der Musik selbst zu suchen, die trotz mancher Qualität wiederholt mit „spröde“, „zweitrangig“ tituliert wurde.

Frau ohne Schatten

Für eingefleischte Strauss-Liebhaber (zumal aus Wien) ist sie die "Oper aller Opern", das "Antrittsgeschenk" des neuen künstlerischen Leiters der Wiener Staatsoper knapp nach Ende des Ersten Weltkrieges.
Bereits Ende 1910 tauchen erste Pläne zu der Märchenoper in den Notizbüchern Hofmannsthals auf. Wie "Rosenkavalier" ein Fortspinnen des "Figaro" gewesen war, so sollte die "Frau ohne Schatten" (im Briefwechsel zärtlich "Fr.o.Sch." genannt) sich an die "Zauberflöte" anlehnen: als Geschichte der Läuterung zweier Paare.
"Es müssen alle vier gereinigt werden", notierte Hofmannsthal, "der Färber und sein Weib, der Kaiser und die Feentochter, zu trübe irdisch das eine Paar, zu stolz und fern der Erde das andere." Mit der Feentochter ist die titelgebende Kaiserin gemeint, die keine Kinder empfangen kann und deshalb keinen Schatten wirft.
Durch den Verzicht der Kaiserin auf ein Glück, das mit dem Unglück anderer erkauft wird, reift sie erst zum Menschen. So stellte Hofmannsthal seine Dichtung auch unter das Goethe-Wort: "Von dem Gesetz, das alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der es überwindet."
 

"Eines der schönsten Ruhmesblätter"

Neun Jahre sollten bis zur Premiere am 10. Oktober 1919 verstreichen, auch weil die Autoren eine Uraufführung dieser "letzten romantischen Oper" in Kriegszeiten ausschlossen. Gegen Wien als Uraufführungsort der "Frau ohne Schatten" kämpfte der Textdichter zunächst leidenschaftlich.
 
Das neue Amt des Komponisten, die fabelhafte Besetzung (darunter Maria Jeritza, Lotte Lehmann und Richard Mayr) und nicht zuletzt die Philharmoniker gaben den Ausschlag. Strauss hielt brieflich fest, dass "die Großtat, die das Opernorchester im erstmaligen Erklingen meiner so außerordentlich schwierigen Partitur vollbracht hat, eines der schönsten Ruhmesblätter in der Geschichte des Orchesters" bildete.


"In diesem Orchester birgt sich das Märchen"

Selbst der harsche Kritiker Julius Korngold bestätigte die Meisterschaft der Instrumentation: "In diesem Orchester birgt sich das Märchen." Während diesmal die Dichtung Zielscheibe der Kritik wurde, lobten die Rezensenten die Musik einhellig – bis auf einige, die meinten, dass Strauss nun endgültig zum "Unzeitgemässen" geworden war. Andererseits konnte der große Popularitätserfolg der letzten Opernschöpfungen nicht wiederholt werden – bis heute bleibt "Die Frau ohne Schatten" ein Werk für Kenner und Liebhaber.
 

Der Rosenkavalier

Hier war sie nun: die Komödie, die Strauss ersehnt hatte, "unser Figaro", wie Freund Hofmannsthal einmal schrieb. Zugleich eine Besinnung auf traditionsbewusstes Komponieren und ein überraschender Wendepunkt im Schaffen des "Zukunftsmusikers".
Aus Komödien und Romanen Molieres, Goethes, Hogarths und de Mussets schöpfend, entwickelte Hofmannsthal für seinen Komponisten knapp nach "Elektra" ein "ganz frisches Szenar einer Spieloper", die im Wien Maria Theresias spielt.
Die Oper hat auch eine Marie Theres als Hauptfigur, während die anderen beiden Protagonisten um die Ehre des Taufpaten rangen: Strauss zog "Ochs auf Lerchenau" als Operntitel vor, "Der Rosenkavalier" setzte sich schließlich, auch auf Anraten von Pauline Strauss, durch.
Die nach und nach von Hofmannsthal übersandten Szenen ließen sich "komponieren wie Öl und Butterschmalz", wie der stets nach Neuem gierende Komponist seinem Textdichter schrieb. Sein höchstes Lob: "Sie sind da Ponte und Scribe in einer Person."
 

Bejubelte "Umkehr"

Die Dresdner Uraufführung wurde bis ins kleinste Detail vorbereitet: Zum bewährten Strauss-Dirigenten Ernst von Schuch kam der Bühnenbildner Alfred Roller, der auch ein Regiebuch entworfen hatte sowie der Regisseur Max Reinhardt – die Autoren hatten auf seine Mitarbeit bestanden, auf dem Besetzungszettel wurde Reinhardt jedoch nicht vermerkt.
Am 26. Januar 1911 wurde "Der Rosenkavalier" aus der Taufe gehoben, vor einem begeisterten Publikum, das die "Umkehr" des Komponisten erfreut zur Kenntnis nahm. Sehr bald mussten "Rosenkavalier"-Sonderzüge eingerichtet werden.
Innerhalb weniger Monate ging das Stück um die Welt, ohne vor barscher Kritik und Entstellungen gefeit zu sein: Man bekrittelte die Walzerflut, die den "Rosenkavalier" überschwemmte, und in Berlin musste eine um "anstößige" Liebesszenen und Wendungen "gereinigte" Fassung bis 1924 gezeigt werden!
Allerorten bedeuteten "Rosenkavalier"-Aufführungen auch Sängerfeste – der ideale Ochs stieß erst in Wien dazu: Richard Mayr, der Strauss bei der Komposition vorgeschwebt war.
 

"Für alle Zeit"

Mag der übertölpelte alte Bräutigam ein beliebtes Komödienthema sein, die Zeichnung des Baron Ochs oder gar jene der leidenschaftliche Liebe zwischen Marschallin und Octavian, der aufkeimenden Zuneigung zwischen ihm und Sophie sind von origineller, nie verblühender Schönheit. Mit dieser meistgespielten seiner Opern hat sich Strauss "für alle Zeit" (das sind Worte der Liebenden aus dem letzten Akt) einen Sonderplatz als populärer Komponist des 20. Jahrhunderts gesichert.

Salome

Der Einakter über die "Prinzessin von Judäa" verschaffte Richard Strauss schlagartig Weltgeltung als Opernkomponist. Er selbst nannte sein bahnbrechendes Werk "ein Scherzo mit tödlichem Ausgang".
 
Eine Orientoper, die wirklich "östliches Kolorit und glühende Sonne" aufzuweisen hat, reizte Strauss schon seit längerem. Doch statt sich eines Libretto-Entwurf des Dichters Anton Lindner zu bedienen, komponierte Strauss nach einem Vorstellungsbesuch in Max Reinhardts "Kleinem Theater" in Berlin 1903 Wildes Theaterstück vom Blatt, wobei er selbst die nötigen Einrichtungen und Kürzungen vornahm.
 

"Ein einmaliges Experiment"

Das Drama wurde durch die Raffung, vor allem aber durch die Vertonung noch verschärft: Die blutjunge Prinzessin begehrt den eingekerkerten Propheten Jochanaan- Als er sich verweigert, ertanzt sich Salome von ihrem Stiefvater Herodes den Kopf Jochanaans und küsst diesen – Herodes lässt das Mädchen umbringen. "Der Wunsch nach schärfster Personencharakteristik" führte Strauss an die Grenzen der traditionellen Harmonik.
Er ahnte wohl, dass er konservative Zeitgenossen überfordern würde- Aals er Proben des neuen Werkes auf dem Klavier vorspielte, rief sein Vater aus: "Gott, diese nervöse Musik! Das ist ja gerade, als wenn einem lauter Maikäfer in der Hose herumkrabbelten!" Cosima Wagner meinte: "Das ist der Wahnsinn!"
 

Zensurschwierigkeiten

Auch die Sänger zeigten sich anfangs unfähig oder unwillig, der "Salome" gerecht zu werden. Doch unter der Leitung des Dirigenten Ernst von Schuch errang das Werk bei seiner Uraufführung in Dresden am 9. Dezember 1905 einen bedeutenden Publikumserfolg, dem mehrheitlich Zeitungsverrisse gegenüberstanden. Innerhalb von zwei Jahren erschien "Salome" auf fünfzig Bühnen, während sie mancherorts mit Zensurschwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Kaiser Wilhelms II. Bedenken wurden erst beruhigt, als man ihm versprach, bei der Berliner Premiere würde am Schluss der Stern von Betlehem sichtbar werden. In New York und London war die Oper vorübergehend verboten- Aan der Wiener Hofoper bemühte sich Direktor Gustav Mahler vergeblich um die Erlaubnis zur Erstaufführung, die erst 1918 stattfand. Spätestens dann hatte sich "Salome" als eines der aufregendsten Meisterwerke der Opernliteratur überhaupt durchgesetzt.

Die schweigsame Frau

War seine Opernarbeit nach dem Tode Hofmannsthals wirklich beendet, wie Strauss fürchtete? In dem Juden Stefan Zweig fand er nochmals einen kongenialen Dichter und hielt zu ihm, trotz der Bedrohung, der er sich damit in Nazideutschland aussetzte.
Über Vermittlung des Verlegers Anton Kippenberg begegnete Strauss erstmals 1931 Stefan Zweig, der ihm eine Neufassung von Ben Johnsons Komödie "Epicoene, or The Silent Woman" vom Ende des 18. Jahrhunderts vorschlug. Der Komponist war von Zweigs Arbeit begeistert und bezeichnete "Die schweigsame Frau" als "das beste Libretto für eine opéra comique seit ‚Figaro‘".
Im Februar 1933 begann Strauss mit der Niederschrift der Partitur, einen Monat darauf brachten die Reichstagswahlen in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht. Als Propagandaminister Goebbels dem Komponisten suggerierte, dass eine Aufführung der Anfang 1935 fertiggestellten Oper "die Regierung in Verlegenheit bringen" würde, legte Strauss das unanfechtbare Libretto den Machthabern vor – und erhielt die Genehmigung zur Uraufführung, die für den 24. Juni in Dresden fixiert wurde.
 

"…auf Sie verzichten? Nie und nimmer!"

Stefan Zweig schrieb, Strauss hätte "während dieser ganzen Zeit mir gegenüber freundschaftliche Gesinnung, Korrektheit und sogar Mut bezeugt". Es grenzt an Tollkühnheit, dass Richard Strauss auf die Nennung des Librettistennamens auf dem Uraufführungsplakat bestand, und dass er Zweig knapp vor der Premiere schrieb, er wolle auf seine Mitarbeit "nie und nimmer" verzichten. Besagter Brief, der noch mehrere Ausfälle gegen das Regime enthielt, wurde von der Gestapo abgefangen, Strauss wenig später seines Amtes als Reichsmusikkammer-Präsident enthoben.
 

"Wie schön ist doch die Musik …"

Es scheint, als hätte der rasch einsetzende Naziboykott gegen "Die schweigsame Frau" dem Werk über das Jahr 1945 hinaus bis heute geschadet. In den relativ raren Aufführungen – wie bei den Salzburger Festspielen 1959 und an der Wiener Staatsoper 1996 – ist eine meisterliche Komödie über den griesgrämigen, aber heiratswilligen Sir Morosus kennenzulernen, der durch die liebevolle Intrige seines Neffen Henry verehelicht und dann kuriert wird. Als Morosus die vermeintlich Schweigsame wieder los ist, singt er seinen berühmten Schlussmonolog: "Wie schön ist doch die Musik, aber wie schön erst, wenn sie vorbei ist …"